(M)Ein Leben mit Air Berlin
Nostalgie und Wehmut
Region: Nordrhein-Westfalen
Kann ein Reisebüro-Schaf eine innige Verbindung zu einer Airline aufbauen? Gut, das habe ich mich auch gefragt … Aber es ist so. Das Air Berlin-Herz, nicht nur das aus Schokolade, hat sich tief in meinen Plüsch gegraben!
Und so habe ich, zusammen mit meiner Zweibeinerin und vielen ihrer Reisebüro-Kolleginnen und -kollegen, über Jahre gehofft, dass endlich jemanden an der Spitze tätig wird, der die Fluggesellschaft wieder auf gesunde Füße stellt.
Was immer die Motive waren, die Absichten und was hinter diversen geschlossenen Türen verhandelt wurde: Es bewegte sich in diesem jahr alles auf ein Ereignis zu - Air Berlin würde über kurz oder lang keine (eigenständige) Erscheinung mehr am Himmel sein. Schon bei diesem Gedanken kam in mir Wehmut auf!
Sehr überraschend kam Mitte August die Insolvenzmeldung, mitten in den Sommerferien, die Herbstferien vor der Tür. Und das, obwohl vorher seitens des vorherigen Partners Etihad es eine Finanzierungszusage bis 2018 gab. Auch hier gilt: Was immer ausgehandelt wurde, ob man es persönlich gut findet oder nicht - ein staatlicher Kredit verhinderte, was wenige Wochen später in Großbritannien passierte. Dort kam es bei einer Airline und dem dazu gehörenden Reiseveranstalter zum sofortigen Stopp des gesamten Betriebes. Es traf sehr viele Reisende und den Staat völlig unvermutet und wurde zur bislang größten Rückholaktion in UK. Im Fall von Air Berlin verursachte die staatliche Hilfe sehr viel Arbeit hinter den Kulissen, ermöglichste andererseits auch noch vielen Reisenden, ihre Ziele zu erreichen oder sich nicht allein um Alles kümmern zu müssen.
Bei Air Berlin ging es in kommenden den Wochen hoch her, es waren so viele Fragen offen. Reisebüro-Kollegen gründeten bei Facebook eine Selbsthilfegruppe zum Austausch von Informationen - sofern es welche und vor allem zuverlässige gab. Ein Kollege, der mit Engelsgeduld und dank seiner Tätigkeit am Ticketcounter mehr in Erfahrung bringen konnte, half nicht nur vielen Gästen vor Ort, sondern auch vielen Kollegen mit betroffenen Kunden immer wieder weiter. Wir mussten erfahren, dass sich einige Reiseveranstalter vor ihrer Verantwortung - und teils Verpflichtung - versuchten zu drücken - unnötiger Stress auf allen Seiten. Und kein gutes Zeichen für die zukünftige Zusammenarbeit, leider. Und es keimt die Erwartung, dass die in Deutschland nahezu monopolartige Stellung der LH Group den Flughimmel stark beeinflussen wird, auch preislich. - Vielleicht ungewohnt kritische Gedanken meinerseits - ich hoffe, ihr schätzt auch diese Seite an mir!
Die Mütze ziehe ich vor all den Kollegen in den Reisebüros, an den Ticket-Schaltern und an den vielen unsichtbaren Stellen, die alles versucht und damit so manche Reise gerettet haben!
Doch es wurde auch klar: Ende Oktober 2017 geht die Ära Air Berlin zu Ende. Die letzten Flüge finden am 27.10. statt: abends verlässt noch ein Flieger Düsseldorf und landet in Berlin, der Basis der Airline. Und der laut Plan definitiv letzte unter AB-Flugnummer fliegt von München nach Berlin - um 21.35 Uhr mit Landung um 22.45 Uhr in Berlin-Tegel. Ich bin sicher, dass an diesem Tag viele Emotionen aufkommen. Ich merke schon beim Schreiben, wie sehr es mich berührt ...
So sehr, wie viele Gäste und Kollegen über die Streichungen, Umbuchungen und den Ärger bei den Kunden geflucht haben und für all das keinen Cent sehen (darf ich so sagen, hat man mir versichert!), so sehr machen sich auch Wehmut und Nostalgie breit.
Ich wusste, dass die Zweibeinerin sich gerne von Air Berlin persönlich verabschiedet hätte. Ab Hamburg gab es seit geraumer Zeit kaum noch nahegelegene Ziele - und mit einer Streichung einer Strecke musste gerechnet werden. Doch dass sie tatsächlich … Seht selbst, was sich am 22.10., frühmorgens, noch im schönsten Sonntagstraum, ereignete …
"Flughafen? Es ist dunkel! Wieso? Was habe ich verpasst?"
"Eine Überraschung für dich, abwarten!!
Geduld ist ja absolut (Hust!) meine Stärke … Der offensichtlich eingeweihte Zweibeiner brachte uns zum Flughafen …
Rein ins Gebäude, der Check in war schon erledigt, die Sicherheitskontrolle binnen Minuten. Die übliche Wasserflasche, die gekauft wird, wurde um eine Schachtel Merci-Schokolade ergänzt.
"Wo geht es eigentlich hin?"
"Nach Düsseldorf."
"Und was machen wir da?"
"Wir gehen am Ticketcounter hospitieren."
"Am Sonntag???"
Nun, in solchen Momenten darf man an seinen Mitarbeitern leise zweifeln, oder?
Heute gab es bereits keinen Zugang mehr ...
Alles aufgeräumt, sauber - ohne jeden Hinweis, wer über Jahre hier Hausherr war.
Der Wartebereich ist nicht mehr die kleine Oase für die Wartezeit bis zum Abflug abseits des Trubels, immer einen Kaffee bereithaltend. Seufz!
Und, die Zweibeinerin rückte dann den beiden gegenüber endlich damit heraus, was es heute wirklich werden sollte: Freudiges Erstaunen darüber, dass wir allen Ernstes einen Abschiedsflug machen!
Eigentlich zwei - hin nach Düsseldorf, aber abends auch zurück! Und dazwischen, das war ernst gemeint, ein „über-die-Schulter-gucken“ beim Air Berlin-Ticketcounter. Also ein ganzer Tag mit und rund um Air Berlin!
Heute fliegt uns eine Dash, ein kleineres Propeller-Flugzeug. Zum einen fliegt sie weniger hoch - viel besser für die Aussicht . Und sie hat, wenn man auf der Höhe des Propellers sitzt, besondere Effekte auf das Landschaftsbild!
Wir drücken - nicht nur den beiden - alle Daumen, dass sie in ihrem Beruf bleiben können und einen anderen Arbeitsplatz finden, an dem sie sich ebenso wohl fühlen!
Ich kann mich wirklich an keinen Flug erinnern, der ärgerlich verlief, an dem jemand von den Flugbegleitern muffelig war oder unhöflich. Die hier und da locker eingewobenen Sprüche fand ich einfach nett - das Leben ist ernsthaft genug! Und mit dem Herz im Mund konnte man sich so manchen nochmals auf der Zunge zergehen lassen!
Heute wurden fünf Maschinen gestrichen - auch wenn diese nicht mehr ausgebucht waren, sind es genügend Leute, die Alternativen brauchen. Und das Team am Ticket-Counter der Air Berlin am Düsseldorfer Flughafen ist superflink, supersupergeduldig und supersupersuperfreundlich, selbst bei Nörglern!
Ich kann euch nach wenigen Stunden hier berichten, dass es ein ganz besonderer Job ist, am Ticket-Counter zu arbeiten. Die meisten Leute kommen gestresst an, mit verpassten Flügen, gestrichenen Verbindungen und Fragen, die du nicht mal im Traum erahnst ...
Meine Erlebnisse in der kurzen Zeit reichen schon für ein Büchlein - wer hier länger arbeitet, kann schnell eine Bibliothek mit den schönsten, herzerwärmensten oder auch skurrilsten Geschichten füllen. Und leider auch mit Stories über Menschen, die jeglichen Anstand verlieren, wenn sie nicht ihren Willen bekommen. Besonders, wenn es ihr Fehler ist, dass etwas nicht gelingt ... Das kenne ich auch aus unserem Büro - aber in seltenen Fällen. Mönsch, ich bin froh, dass wir fast immer total nette Kunden haben!
Unschön für die Mitarbeiter, die gar nichts für die Situation können! Aber allem Verständnis zum Trotz, obwohl man sich gut kennt am Flughafen: Jedes Geschäft muss auf seine Vergütung achten ...
Ach, mir wird so erinnerungsträchtig ... Drei Reisen sind mir besonders im Gedächtnis geblieben - auch dank der Air Berlin-Presseabteilung, die uns zweimal beim Einsteigen einen kleinen Vorsprung ermöglichte - und damit Bilder ohne die anderen Gäste.
Meine erste Langstrecke mit Air Berlin - von Berlin-Tegel nach Dubai. Ein ganz besonderer Anlass dazu! Und die zweite Langstrecke von Düsseldorf nach Kuba. VIP-Schafsgerecht in der Business Class ! Deutlich kürzer: die Flüge nach Zürich 2011 - doch das war meine erste Medien-Reise und damit die Basis für meine Blogger-Karriere ...
Nahezu sieben Jahre ist es her ... Als ich, wie ihr auf dem nächsten Bild sehen werdet, noch sehr, sehr jung war. Quasi frühpubertär.
Zu dieser Reise gibt es eine Geschichte, die die Zweibeinerin heute noch schmunzeln lässt: Von Air Berlin kam an die Agenturen die Information der neuen Strecke Berlin-Dubai. Die Zweibeinerin rief deswegen eine Freundin an (der Zweibeiner wollte nicht, gefragt wurde er!) und fragte diese, ob sie mit ihr (und mir) nach Dubai reisen wolle. Die benötigte Zeit bis zur Antwort: Millisekunden! Und die Antwort: "Wann??" Keine Frage ab wo, erst einmal ein "klingt gut" oder so etwas! Schnell die möglichen Tage prüfen, planen, buchen. Und dann, das war wirklich die Mega-Überraschung, als wir in Tegel ankamen: Großer Bahnhof! Ohne, dass es uns bewusst war, haben wir den Tag des Erstflugs erwischt. Gefühlte Hunderte von Journalisten, einige Prominenz. Und wir mittendrin!
Jedenfalls hat er dieses Bild, wie wohl hunderte weiterer, mit Geduld und Charme absolviert!
Und so kamen wir über Nacht vom fies-nassen Novemberwetter in die orientalische Welt, die mich seitdem fasziniert.
Mir wurde direkt der Junior-Pass verliehen (damals war ich optisch wirklich noch sehr jung ) und eine persönliche Begrüßung vom Kapitän gab es auch. Inklusive einer namentlichen Erwähnung vor dem Start - was etliche sich drehende Köpfe in der Kabine bewirkte! - Bild: ©fodis
Es war vor gut sechs Jahren eine etwas andere Zeit beim Fliegen: Es war selbstverständlich, dass es Getränke und einen Snack gab, irgendwie fühlte sich alles ein bisschen entspannter an als heute. - Bild: ©fodis
Und die Menükarte! Sehr viel umfangreicher und wirklich leckere Sachen, da man sich beliebig daraus bestellen kann ... Dass es einen Snack vorab gab, habe ich schon erwähnt? Wenn das so weitergeht, liegt mein Gewicht auf Kuba 30% höher als beim Start!
Es hat eine Weile gedauert, bis wir über verschlungene Pfade den richtigen Ansprechpartner gefunden hatten - und er hat es möglich gemacht, dass ich meine eigene Hängematte auf dem Flug aufspannen durfte! Nicht, dass die Sitze nicht bequem waren - doch das hier macht den Flug unvergesslich!
Nach diesen - zugegeben leicht verklärten - Erinnerungen wurde es unwiderruflich Zeit, sich der Realität zu stellen. Die Rückflugzeit rückte näher ...
Der Kollege vom Ticket-Counter begleitete uns noch durch die Sicherheitskontrolle und bis zur Lounge. Dann hieß es Abschied zu nehmen ...
Danke nochmals - es waren großartige Stunden mit euch!
Die Lounge für die Business-Gäste ist bereits geschlossen - die durften wir Ende Januar genießen, als wir auf unseren Flug nach Kuba warteten. Hach, das war ein echtes VIP-Gefühl!
Das ist das letzte Bild, welches ich beim Ausrollen nach der Landung sah - ein deutliches Symbol für die kommende Zeit.
Allen AirBerlinern wünsche ich für ihre Zukunft das Bestmögliche! Behaltet immer euer Kerosin im Blut! Und ich bin mir sicher, dass wir uns in der doch irgendwie kleinen Touristikerwelt an anderer Stelle erneut begegnen! - Bild: ©fodis
... hier kommen die Bilder, die ich auf Facebook gesammelt habe - von diesem Tag der Einblicke und des Abschieds.
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