Peer Gynt-Festival: Open Air am See Gålåvatnet
Open Air vor bezaubernder Kulisse
Region: Gudbrandstal
Meine Erfahrung mit Open Air-Bühnen ist noch jung - meine (nicht zu verleugnende) Begeisterung könnte also subjektiv sein .
Wie es zu dem Besuch kam, so (fast) mitten in Norwegen in einer in Deutschland nicht unbedingt bekannten Region?
Die ITB - die riesige Tourismusmesse in Berlin, die ihr schon von meinen "Weltreisen" kennt - die war´s!
Im Vorfeld wurde ich erstmals als Blogger registriert und habe meine Kontaktdaten auf dem virtuellen Marktplatz hinterlassen. Hier hat mich Hanne Maren entdeckt ... Bei so einer sympathischen Anfrage für ein Treffen auf der Messe habe ich gerne zugesagt!
Und so kamen wir ins Gespräch. Schnell war vereinbart, dass ich, diesmal nur mit der Zweibeinerin, im Sommer nach Norwegen komme.
(Mehr zu meiner Rundreise folgt, wenn ich die anderen Teile überarbeitet habe - diese sind leider noch in dem alten Layout, was ich nicht mehr anzeigen lassen kann.)
Kennt ihr Peer Gynt? Und auch Hendrik Ibsen? Er könnte euch als Schriftsteller zu Schulzeiten begegnet sein ...
Schon 1867 schrieb Hendrik Ibsen die Geschichte um Peer Gynt auf. Nach einer längeren Reise durch das Gudbrandstal (Gudbrandsdalen), bei der ihm mehrere Legenden um die Abenteuer dieses Mannes begegneten.
Seit 1928 schon gibt es das Festival, mit dem die Bewohner des Tals Peer Gynt ihre Ehre erweisen. Die Premiere der Freilicht-Aufführung folgte 1989, so dass das Festival bald seinen dreißigsten Geburtstag feiern kann.
Edvard Griegs Musik ergänzt seit 1993 die Aufführung - also ein Schmaus für Augen und Ohren. Und für den Magen! Dazu verrate ich euch mehr bei den Bildern .
Bereit? Am liebsten würde ich euch sagen: "Schließt die Augen und folgt meiner Stimme an den See ..." Da das mit getippten Worten schwierig ist, habe ich euch stattdessen viele Bilder mitgebracht! Unter dem Reiter "Mehr für das Auge" findet ihr eine zweite Galerie ...
Mal eher flach und wie eine Heide-Landschaft wirkend, mal schroffer mit Felsen und etlichen Bergen an den Seiten der Täler.
Sehr viele kleine und größere Seen sorgen für das Blau am Boden, über das sich oft ein Himmel mit weißen Tupfen auf tiefem Blau spannt.
Ob die vielen hier beheimateten Dichtungen ansteckend sind? Ich fühle Poetisches in mir ...
Es wird meine erste Open Air-Theateraufführung sein - und ich bin soooo gespannt!
Die großen Busse sind in der Zeit der Aufführungen nichts Unbekanntes und ein sehr guter Service für alle, die kein eigenes Auto dabei haben oder sich (schlauerweise) die Parkplatzsuche ersparen wollen.
Es sind eine Menge Parkplätze vorhanden - doch das Shuttle zu nutzen ist sehr viel entspannter.
Spürt ihr auch ein bisschen die Magie der Landschaft? Trolle? Für mich fühlte es sich so an, als könnten sie gleich hinter der nächsten Kurve warten ...
Wer als erster Gast durch das Einlasstor tritt, bekommt diesen Anblick geboten. Ich durfte, quasi unter den Fittichen von Hanne Maren, schon mal vorab einen Blick hineinwerfen und noch etwas mehr ...
Aus Zuschauersicht ist links das Orchester (ja, die Musik ist live, nicht aus der Konserve!) und vor euch das Seeufer, welches als Bühne genutzt wird.
Mein Tipp: Wenn ihr frühzeitig die Karten besorgt, versucht im Mittelteil Plätze zu bekommen. Ganz vorne ist "hautnah" an den Schauspielern - doch in den Reihen weiter oben habt ihr den besseren Überblick.
Und auf dem Stein Platz nehmen, der im Stück eine zentrale Rolle spielt. Fühlt sich gut-spannend-aufregend-wow an!
Kommt möglichst gut zwei Stunden vor Beginn der Aufführung - es gibt eine Menge zu sehen und zu tun.
Bei meinem Besuch hatte das Team eine Ahnentafel aller Schauspieler aufgebaut, die die Rolle des Peer Gynt gespielt haben. Manche über viele Jahre!
Doch es fühlt sich auch gut an, aufregend und inspirierend.
Er ist ein wenig wortkarg - vielleicht habe ich auch wegen des üppigen Bartes nicht alles verstanden ...
Ihm begegne ich später in Oslo wieder - da dazu an anderer Stelle mehr.
Wer es "gesetzter" mag, reserviert vorab bei Anitra. Das Restaurant versetzt euch nach Marokko - mitten hinein in eines der Abenteuer von Peer. Allerdings erwartet euch nur die "Prüfung", ein köstlich duftendes 3-Gänge-Menü zu verspeisen . Der Verlockung entkommt ihr nicht, wenn ihr am Zelt entlang spaziert ... Unbedingt vorab reservieren!
Wer weder noch mag, bringt sein eigenes Proviant mit und sucht sich ein paar Meter weiter am Seeufer oder leicht den Berg hinauf einen Picknick-Platz.
Noch ist der Himmel bewölkt, aber es klart zunehmend auf. Das sei an dieser Stelle schon verraten: Wir blieben den ganzen Abend trocken!
Ein echter Entspannungstipp auch außerhalb der Festivalzeit!
Bei der Anmeldung wird eure Landessprache registriert - und für einige Sprachen, unter anderem Deutsch - findet eine persönliche Einführung statt.
Für uns hier etwas abseits der Bühne - mit Hintergründen zum Stück, der Gegend und zum Inhalt.
So gerüstet traute ich mich, auf die Kopfhörer während der Aufführung zu verzichten. Mit deren Hilfe könnt ihr euch vor jeder Szene eine Zusammenfassung anhören und so viel einfacher folgen.
Mit der Zeit fühlt es sich sowieso so an, als verstünde man Norwegisch
Verlockend liegen die Boote am Ufer ... Ich kann mir gut vorstellen, wie entspannend es ist, langsam auf den See zu rudern und einfach die Seele baumeln zu lassen ... Ob ich dürfte?
Diese Boote gehören nicht zum Stück - doch dort spielt ein Boot eine besondere Rolle. Eine interessante Historie bringt es auch mit!
Aber jetzt, oder?
Dann nehme ich euch jetzt mit zur Aufführung!
So verarbeitete er auch "neuere Ideen", die in der Zeit um 1876 gerade sehr beliebt waren: Die Rückkehr zur Natur und zum einfachen Leben - zwei "Trends", die gerade wieder aktuell sind ... Sehr vorausschauend von Herrn Ibsen!
Das Stück birgt satirische Ansätze, die nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Und manche sind mit sehr viel Augenzwinkern versehen!
Und Mads Ousdal? Ein bekannter norwegischer Schauspieler, der mit Energie und sehr viel Seele Peer Gynt verkörperte, als gäbe es nur diese eine Aufführung. Womit er mich sehr nachhaltig beeindruckt!
Viel mehr noch: Mit scharfen Verstand gesegnet nutzt Peer seine blühende Fantasie, um sich vor Aufgaben zu drücken. Er fühlt sich zu großen Dingen berufen, erwartet Kaiser oder König zu werden.
Er will sich auf die Suche nach einem reichen Mädchen machen - und erfährt unterwegs, dass Ingrid, die er für sich "ausgesucht" hat, schon am nächsten Tag heiraten soll.
Nach etlichen Wirren um die Braut, die die Nacht mit Peer verbracht hat, erkennt er endlich, wem sein Herz gehört. Und dennoch folgt er nur seinen Ideen - und stößt erneut alle, die sich um ihn sorgen, vor den Kopf.
Ich habe während des Stücks viele Facetten entdeckt - doch die verrate ich (noch) nicht, um euch nicht die Spannung zu nehmen. Ihr findet auch in der deutschsprachigen Zusammenfassung mehr dazu ...
Schon als (kleines) Kind dabei, wachsen sie mit ihren Rollen und halten der Aufführung oft viele Jahre die Treue.
Und die meisten haben mehr als eine Rolle im Stück!
Hier ziehe ich den Hut (die Mütze ): Sie sind so professionell!
Die Farben, die die der See in wechselndem Licht annimmt, die Wolkenbilder, die manchmal wie Gebirgszüge wirken.
Oder einfach die Augen schließen und lauschen. Den Geräuschen der Natur und der Musik.
Der Schein mag trügen - doch wie unterscheiden, wer es ehrlich meint und wer andere (eigene) Pläne hat?
Auch hier verschafft Hendrik Ibsen Blicke auf viele Aspekte, manche sehr direkt auf das eigene Leben zutreffend und den eigenen gelebten Umgang mit den Anderen aufzeigend.
Wo Peer gelandet ist? Im Reich in der Trolle!
Peer muss dafür das Leben in der Außenwelt verzichten und die Lebensweise der Trolle annehmen, auch im Erscheinungsbild.
Obwohl er zustimmt, ihr ahnt es, will Peer letztlich nur das annehmen, was ihm gefällt. Das endet mit einer Flucht - und nur das Läuten von Kirchenglocken, das Trolle abschreckt, rettet ihn.
Nachdem er seine Troll-Familie verlassen hat, ist er wieder auf der Suche, die eher einer Flucht gleicht. Einer Flucht vor sich selbst genauso wie vor den Menschen und Wesen, die Peer mit seinen Fanatsie-Geschichten gegen sich aufgebracht hat.
Da er das Prahlen nicht lassen kann, verliert er Solveig ein weiteres Mal. Doch inzwischen ist ihm bewusst, dass Solveig die Richtige für ihn ist - und kann dennoch nicht aus seiner Haut.
Helga erhält von ihm einen Silberknopf für Solveig als Zeichen seiner Liebe - damit sie sich immer an ihn erinnert.
Endlich scheint sich das unstete Leben zu beruhigen, scheint Peer sich selbst zu finden.
Sein Leben hängt an einer Bedingung: Er darf zur Strafe für seine Taten den Wald nicht verlassen. Solveig möchte dennoch bei ihm bleiben - ganz gleich, was passiert.
Sie präsentiert ihm ein Kind, das seines sein soll. Verbunden mit der Ankündigung, dass sie ihn immer verfolgen und sein Leben mit Solveig zerstören wird. Kaum im persönlichen Gleichgewicht und Glück angekommen, begibt er sich erneut auf die Reise.
In der skandinavischen Sagenwelt sind Trolle mächtige Wesen, deren Fähigkeiten man fürchtet. Mindestens ein bisschen glaubt jeder Norweger an sie ...
Erneut verlässt er die Heimat - diesmal für eine lange Zeit.
Gut, dass es in der Pause Zeit gibt, sich zu bewegen (baut die Anspannung ab ). Bestens versorgt von Hanne Maren mit heißem Kaffee und orginal norwegischem Kuchen - Takk skal du ha! - tauen meine Füße von innen wieder auf.
An dieser Stelle ein Tipp wegen der Kleidung: Der See liegt auf etwa 800 Höhenmetern - und auch im August wird es nach Sonnenuntergang hier schnell frisch.
Unbedingt einpacken: Lange Unterhose, Handschuhe, Stirnband oder Mütze - wobei Ersteres netter gegenüber den anderen Zuschauern ist, weil kein Bommel die Sicht versperrt. Auch empfehlenswert: Ein Sitzkissen!
Und, weil es "open air" auch mal feucht werden kann, eine wasserfeste Außenschicht!
Elemente aus der norwegischen Volksmusik bilden die Basis - verbunden mit einenm ironischen Unterton zur norwegischen Lebensart. Sehr passend also zu Ibsens Schreibweise !
Die Inszenierung am See wurde 2014 nach langen Jahren unter den Händen eines neues Regissuers komplett überarbeitet und deutlich moderner.
Viele Elemente der klassischen Peer Gynt-Suite werden in traditioneller und moderner Form gespielt. Die Musiker als Teil des Stückes stehen mehr im Fokus - besonders Arve Tellefsen als Violinist. Er ist ein Zauberer auf diesem Instrument!
Ihm begegnete ich am nächsten Tag auf dem Berg bei einer Wanderung - dazu an anderer Stelle mehr.
Das sind die augenzwinkernden Momente, mit denen der Regisseur das Stück in die heutige Zeit holt. Und uns, den Zuschauern, zeigt, wie wir uns in unserer Welt "bewegen". Es gibt von diesen Momenten einige mehr!
Peer, mittlerweile Mittfünfziger, ist in der Ferne wohlhabend geworden. Mit einem großen Boot braust er heran - ganz passend zu dem opulenten Lebenstil, der er an Land zeigt. Weiterhin erzählt er seinen "Freunden" Geschichten - aus seinerm Leben, aus seiner Sicht. Diesmal die seines Erfolges - und seiner Wandlung.
Es fährt mit einer Sondererlaubnis nur während des Festivals - so motorisierte Boote sind auf dem See normalerweise nicht zulässig.
Doch er stößt seine Zuhörer erneut vor den Kopf und erntet Unverständnis: Peer erklärt, dass er sein Vermögen nutzen wolle, um Kaiser zu werden. Er immer seiner Gynt´schen Philosophie gefolgt sei und weiterhin folge, um seinen Reichtum zu mehren und die Welt zu beherrschen. Auch vor Kriegen schreckt er nicht zurück ...
Erschreckend, wie aktuell die Geschichte auf viele Situationen in unserer Zeit übertragbar ist, oder?
Wirklich einsichtig wirkt das nicht - eher sehr eingenommen von sich selbst ...
Nach kurzer Zeit trifft er eine Schar junger Frauen, allen voran Anitra. Sie betören ihn, wünschen sich Geschenke.
Peer ist beglückt und so großzügig, dass er alles hergibt - am Ende sogar seinen Reisepass. Und wieder ein Hinweis auf seine brüchige (moderne) Identität, die ihm - wieder einmal - abhanden kommt.
Im zweiten Teil des Stückes sind wirklich feine Anspielungen auf unser Heute eingebaut - mir hat das sehr gut gefallen!
Es kommt zum Schiffsbruch ...
Wer soll beurteilen, wessen Leben wichtiger ist?
Der Koch des Schiffes ist verletzt und verliert letztlich den Halt.
Diese Momente berühren noch tiefer, als es die Geschichte von Peer Gynt selbst schon tut ...
Und auf sich selbst - als er auf der Suche nach etwas Essbarem eine Zwiebel findet. Schicht für Schicht schält er sie ab - und merkt im Selbstgespräch, wie sehr die Schichten einer Zwiebel den Schichten seines Lebens gleichen.
An dieser Stelle kann ich euch eine weitere Gänsehaut garantieren - das von ihr gesungene Lied geht unters Fell!
Als Peer aus der Ferne ihren Gesang hört, spürt er ihre Nähe und fühlt er sich wieder ihrer nicht würdig - und läuft erneut weg. Vor allem vor sich selbst.
Peer findet Solveig im Wald, wird von ihr sofort erkannt und begrüßt. Er fällt ihr zu Füßen - und sie verzeiht ihm trotz aller Erlebnisse sofort.
Endlich begreift Peer tief in seinem Herzen, dass ihre Leibe zu ihm seine Rettung ist. Im hohen Alter gelingt es ihm auch endlich, sich selbst zu erkennen und sein wahres Ich anzunehmen.
Der Knopfgießer als Vertreter des Todes verlässt die beiden noch einmal mit dem Hinweis, dass es Peers allerletzte Chance war.
Immer wieder trifft Peer auf ihn - und begegnet damit indirekt seinem Selbst. Das Selbst, welches er sein Leben lang nicht angenommen hat.
Peer findet Solveig im Wald, wird von ihr sofort erkannt und begrüßt. Er fällt ihr zu Füßen - und sie verzeiht ihm trotz aller Erlebnisse sofort.
Endlich begreift Peer tief in seinem Herzen, dass ihre Leibe zu ihm seine Rettung ist. Im hohen Alter gelingt es ihm auch endlich, sich selbst zu erkennen und sein wahres Ich anzunehmen.
Späte Romantik? Oder endlich bei sich ankommen? Wohl beides. Und für uns als Zuschauer verbunden mit so einigen Lektionen ...
Mein - ganz subjektives - Fazit: Die Aufführung beeindruckt mich noch immer sehr. Wegen der Schauspieler, die mit ihrem Einsatz eine wunderbare Darstellung für Herz und Hirn geboten haben. Wegen der Musik, die wunderbar dem Stück angepasst wurde und auch Nicht-Norweger an den Emotionen teilhaben lässt. Und wegen der fantastischen Kulisse. Hach, mir fällt noch so viel mehr ein!
Es dauert einen Moment, bis sich die Zuschauer wieder rühren, bis Gespräche wieder beginnen. Keiner mag so recht den Zauber des Moments unterbrechen ...
Hatte ich schon erwähnt, dass ich häufiger Gänsehaut hatte? Und die nicht wegen der deutlich zu spürenden Kühle, die nehmt ihr zwischendrin eher nicht wahr.
Doch dann bricht die Stille, die Leute packen und ziehen Richtung Parkplätze. Für uns recht entspannt - in den Shuttlebus einsteigen, zurücklehnen und ein bisschen in das Stück zurückträumen.
Und gefühlt im Handumdrehen (nachdem wir den Parkplatz verlassen konnten) waren wir im Hotel ... Habe ich gut geschlafen in dieser Nacht!
Da es so viele Bilder gibt, die ich euch gerne zeigen möchte, habe ich noch eine zweite Galerie angelegt:
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